Ein Märchen aus der Lakota-Indianer erzählt in der Gebärdensprache
Vor langer Zeit lebten einmal zwei Mäuse auf einer Wiese. Die eine war sehr fleissig. Von früh bis spät sammelte sie Vorräte für den Winter. Sie grub Wurzeln aus, trug die Samen von Gräsern in ihre Höhle, holte Knollen und Früchte und füllte damit eine Vorratshöhle nach der anderen.
Besorgt schaute sie jeden Tag zur Sonne hinauf und dachte: «Noch ist Sommer, aber bald kommt der Herbst.» Und als der Herbst kam, dachte sie: «Noch ist Herbst, aber bald kommt der kalte Winter.» Sie sammelte noch fleissiger, gönnte sich keine Ruhe, bis alle Vorratskammern gefüllt waren. Die andere Maus aber war faul. Sie stand erst auf, wenn die Sonne schon hoch am Himmel stand. Wenn sie aber erst einmal auf der Wiese stand, hatte sie Lust zu tanzen. Sie tanzte und sang und führte ein gutes Leben. Wenn die faule Maus an der fleissigen vorüber kam, rief sie ihr zu: «Komm, tanz und sing mit mir!»
Doch die fleissige Wiesenmaus rief: «Ich habe keine Zeit! Ich muss Vorräte sammeln.» Die warmen Tage vergingen und es wurde kalt. Jetzt fing auch die faule Maus an, Vorräte zu sammeln, doch sie fand nur noch ein paar wenige Körner und Nüsse. Als es zu schneien begann, sass die fleissige Maus in ihrer Höhle. Wenn sie Hunger hatte, ging sie zu einer ihrer Vorratskammern und naschte von ihren Vorräten. Doch schon bald wurde ihr langweilig. «Wenn doch nur jemand zu Besuch kommen würde», dachte sie, «dann könnten wir zusammen plaudern.»
Zur gleichen Zeit hatte die andere Maus alle Vorräte aufgefressen. Sie sass da, hungerte und fror und wurde immer schwächer. Mit letzter Kraft ging sie zur Höhle der anderen Maus und sprach: «Bitte hilf mir. Ich bin so hungrig. Wenn ich nicht bald etwas zu essen bekomme, muss ich sterben.» «Was ist denn mit deinen Vorräten?», fragte die andere Maus. «Hättest du so fleissig gesammelt wie ich, müsstest du jetzt nicht hungern!» «Du hast ja recht!», rief die faule Maus. «Doch im Sommer, da machte es so viel Freude zu tanzen und zu singen und ich habe vergessen, für den Winter zu sammeln.»
Die fleissige Maus hatte keine Lust, ihre mühsam gesammelten Vorräte zu teilen und schickte die hungrige Maus fort. Kaum aber war diese gegangen, da sass sie wieder allein in ihrer Höhle und langweilte sich. Schnell sprang sie auf, hüpfte zur Höhle der anderen Maus und rief: «Komm! Ich teile mit dir meine Vorräte, aber du musst den ganzen Winter mit mir tanzen, singen und plaudern!»
Und so sassen bald beide in der Höhle und assen Samen und Knollen und wenn sie satt waren, begannen die eine Maus zu singen und zu tanzen und bald tanzte auch die andere Maus mit. Wenn du mir nicht glaubst, so geh hin und schau nach!
Märchen der Lakota-Indianer Text zur Verfügung gestellt von Mutabor Märchenstiftung
Hilf mit, dass es mehr Märchen in Gebärdensprache gibt. Unterstütze unser Crowdfunding!